Die Securitas geht nicht mehr auf Bussenjagd
Die Securitas wird in der Stadt Bern künftig keine Bussen mehr verteilen. Den öffentlich ausgeschriebenen Auftrag sicherte sich überraschend die GSD Gayret Security AG, eine kleine private Sicherheitsfirma aus Ittigen.
Während fünf Jahren waren sie der Schreck der Falschparker in Bern: die Männer und Frauen mit blauem Beret und Overall, die säumigen Autofahrern die Parkbussen unter den Scheibenwischer klemmten. Nun hat die Securitas-Gruppe den Bussenauftrag in der Stadt Bern an einen anderen Mitbewerber verloren. «Das ist korrekt», bestätigt Nicolas Kessler, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern. «Ab dem 1.Januar 2015 wird nicht mehr die Securitas, sondern die GSD Gayret Security in der Stadt Bern Bussen verteilen.»
Die Firma aus Ittigen beschäftigt rund fünfzig Angestellte und hat unter anderem bereits die Baustellen der Kehrichtverbrennungsanlage überwacht. Das Engagement von Gayret müsse allerdings im nächsten Jahr noch vom Grossen Rat bestätigt werden, da es sich um einen Auftrag von mehr als einer Million Franken handle, sagt Polizeisprecher Kessler.
Bei der Securitas gibt man sich sportlich über dem Verlust des öffentlich ausgeschriebenen Auftrags. Dennoch schmerzt der Wegfall: Fünf Jahre war Securitas in Bern für die Bussenverteilung zuständig und hat damit jährlich rund 800’000 Franken eingenommen. Personelle Konsequenzen habe der Auftragsverlust jedoch keine: «So wie es im Moment aussieht, werden wir niemanden entlassen müssen», sagt Reto Casutt, Generalsekretär der Securitas-Gruppe. «Wir suchen für die Mitarbeiter nach alternativen Einsatzmöglichkeiten.»
Die billigste Offerte gewann
Trotz aller Sportlichkeit – die Offerte, welche die GSD Gayret Security bei der Kantonspolizei Bern eingereicht hat, lässt die Sicherheitsbranche aufhorchen. «Normalerweise liegen die Offerten der Anbieter zwischen fünf und zehn Prozent auseinander. GSD Gayret aber hat jeden anderen Mitbewerber um mindestens 25 Prozent unterboten», sagt Reto Casutt. Die Offerte von Securitas hat Gayret gar um 1,4 Millionen Franken unterboten. Dieser Unterschied sei enorm und habe sehr erstaunt, so Casutt.
Branchenkenner zweifeln
Ob Gayret überhaupt in der Lage ist, den Auftrag der Polizei auszuführen, daran scheiden sich die Geister. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Ittiger Sicherheitsfirma ihren heutigen Personalbestand von 50 auf rund 200 Mitarbeiter vervierfachen müsste. Denn: Die Kontrolle der 18’000 Berner Parkplätze alleine nehme mindestens 20 Mitarbeiter in Anspruch und bedeute einen Arbeitsaufwand von 80’000 Stunden.
Für die polizeiliche Schulung der Mitarbeiter rechne man mit 80 Stunden pro Person. Geht man von einem Stundenlohn von 25 Franken aus, so bedeute das für eine kleine Firma wie Gayret einen enormen Personalaufwand, so der Branchenkenner.
Polizei von Gayret überzeugt
Diese Zweifel teilt die Polizei nicht: «Eine der wichtigsten Vergabekriterien ist der Erfüllungsgrad», sagt Sprecher Nicolas Kessler. Ob Gayret in der Lage sei, den Auftrag zu stemmen, sei ganz genau geprüft worden – genauso wie die Orga nisation der Firma.
Wie aber konnte Gayret Security die Konkurrenz derart unterbieten? «Wir haben ein anderes Konzept», sagt Geschäftsführer Andreas Gayret. «Anders als die Konkurrenz schicken wir nicht zwei, sondern jeweils nur eine Person auf Patrouille.» Daher werde die Firma aufgrund des Auftrags zwar gehörig wachsen.
Von einer Vervierfachung des Personalbestands könne aber nicht die Rede sein. Dazu komme, dass man bei der Kontrolle der 18’000 Parkplätze auf moderne Technologie setze: «Wir werden unsere Patrouillen teils mit Segways ausrüsten», sagt Andreas Gayret. Die futuristischen Elektroroller würden es seinen Angestellten ermöglichen, zügig ein grosses Gebiet zu kontrollieren.
Quelle: Berner Zeitung, Benjamin Bitoun, 19.09.2014